Noch eine Stadt und noch viel Me(e/h)r

Nach Valencia als drittgrösste Stadt von Spanien, lag auch Barcelona als zweitgrösste Stadt auf unserem Weg. Für die Einfahrt in die Stadt haben wir die S-Bahn genommen, um ein verkehrstechnisches Velodebakel zu umgehen. In der Stadt selbst lässt sich mit dem Velo perfekt herumkurven, wenn die Fussgängertouristen begreifen, dass die rot markierten Pisten mit dem Velosymbol nicht als Dekoration gedacht sind. Wir waren aber ganz relaxt, schliesslich haben wir ja Ferien 😀.

Barcelona

Für die Stadt haben wir uns zwei Nächte im Zimmer und den Fahrrädern eine Pause im Computerraum des Hotels gegönnt (sie konnten schon mal die weitere Route im Internet surfen). Ein schlechtes Gewissen mussten wir nicht haben, andere haben offenbar ihr Auto in der Lobby parkiert.

in unserer Hotellobby
in unserer Hotellobby – Barcelona, Spanien

Es hat übrigens einen Vorteil, wenn man als “bunter Hund” (mit Leuchtjäggli) mit bepacktem Velo und leicht geschafft in einem Hotel eintrifft. Man ist bekannt. Während andere jeweils die Zimmernummer nennen mussten, gefolgt vom Namen zur Verifizierung, wurde uns der Schlüssel für Zimmer 505 automatisch und mit einem Lächeln ausgehändigt.

Die Stadt ist gross, alt und die Hauptstadt von Katalonien. Wir haben nicht alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert, aber vieles gesehen. Beginnen wir mal mit einem Rätsel. Was sehen wir hier?

Was ist das?
Was ist das? – Barcelona, Spanien

Nach einer Odyssee (U-Bahn, zu Fuss wegen nicht fahrendem Tram, Abkürzung durch gesperrten Park stellte sich als Umweg heraus … etc.) auf den Berg Tibidabo, sahen wir dort die ganze Stadt von oben herab:

Barcelona von oben
Barcelona von oben – Barcelona, Spanien

Hier einige Eindrücke aus der Stadt:

Ebenfalls aus der Gegend stammt der Architekt Antoni Gaudí, der einige Gebäude in der Stadt gebaut hat. Eines davon war oben im Bild als Rätsel. Die grosse Kathedrale Sagrada Família ist wohl sein bekanntestes Werk, das immer noch nicht fertig ist. Der Name stimmt nicht ganz: “Ich sa grad a Familia” stimmt nicht, weil es müsste heissen “Sa grad viele Familia vorne dra”. Hier dieses eindrückliche Gebäude:

Sagrada Familia von Gaudi, bald fertig
Sagrada Família von Gaudí, bald fertig – Barcelona, Spanien

Und noch seine weiteren Gebäude:

Dem Meer entlang

Eigentlich wollten wir auch wieder mit dem Zug aus der Stadt entfliehen, aber nach sorgfältigem Kartenstudium entschieden wir, nahe dem Meer entlang zu schleichen und den verkehrsreichen Strassen auszuweichen. Das klappte besser als gedacht, teilweise weil die Promenade in der Vorsaison für Velos geöffnet ist und teilweise, weil es Wege gab, die auf der Karte nicht existieren.

Tschau Barcelona mit etwas Smog auf dem Meer
Tschau Barcelona mit etwas Smog auf dem Meer – Montgat, Spanien

Nicht immer war es klar ersichtlich, ob und wo der Weg entlang führt. Einmal gab mir ein älterer Herr mit Mountainbike ein Zeichen, dass wir ihm folgen sollen über einen grossen Platz. So fanden wir den Anschlusspfad. Nach einer gewissen Zeit sah ich, dass er immer etwa 100 m vor uns her fuhr und wartete, wenn wir nicht auftauchten. Wir sprachen uns aber über etliche Kilometer nicht. Dann hielt er an, wartete auf uns und erklärte in einfachem Spanisch: “Es kommt jetzt ein Stück, das keinen Strandweg hat, aber nachher kann man wieder am Strand fahren. Folgt mir, ich zeige euch den Weg.” Dieser “Spezialweg” hatte es in sich. Wir fuhren durch Einbahnen, hinter Leitplanken, auf schmalen Wiesenpfaden, durch einen Park, hinter einer Tankstelle durch, über ein Firmengelände, auf der falschen Strassenseite am Rand gegen den Verkehr und kamen dann wirklich wieder an den Strand. Hätte uns ein Polizist verfolgt, wir hätten vermutlich eine Niere verkaufen müssen. Etwas später war aber auch unser Freund unsicher, weil eine Baustelle unsere Meerroute beendete. Kurzerhand sprach er einen noch älteren Herr auf dem Velo an und wollte dessen Rat. Der musste aber zuerst die Situation erfassen und wollte alles wissen, woher wir kamen und wohin wir gehen, was wir alles schon erlebt haben. Er massregelte uns, weil wir weder den Jakobsweg gemacht, noch Santiago de Compostela besucht, noch die Sagrada Família von innen angeschaut haben. Er hat uns auf der Karte auch zu einer neuen Route geraten, mit wenig Verkehr, schönen Dörfern und gutem Essen. Es war eine illustre Runde, die mit Sprachbarrieren, Hörbeeinträchtigung (“¿De dónde eres?” [Woher seid ihr?] “De Suiza” [aus der Schweiz] “Ah, de Pisa”…) und viermal guter Laune ziemlich lustig war. Solche Begegnungen sind unbezahlbar. Unser Freund hat uns kurz darauf verabschiedet und uns eher unsere geplante Route empfohlen.

Spanischer Rest

Girona ist unsere letzte spanische Kleinstadt mit etwa 100’000 Katalaninnen und Katalanen, etwas vom Meer entfernt in den Bergen eingebettet. Ein Kaffee und eine Horchata ermöglichten nebst der Pause eine Wetterbeobachtung: Es könnte heute noch regnen, waren wir mit dem Wetterbericht einig. Ein horizontaler Turm von Herrn Eiffel überbrückt den Fluss Onyar. Ich konnte mich nicht entscheiden, darum drei Fotos. Welches ist das schönste?

Der Rest in Spanien machte uns etwas wehmütig, weil wir doch erst gerade angekommen sind und nun die Grenze mit jedem Kilometer näher kam. Am Meer genossen wir dann noch zwei Nächte in einer Ferienwohnung in L’Escala (was übersetzt Massstab heisst) und konnten damit die Spanienzeit noch etwas verlängern.

Unsere Reiseplanung war übrigens so perfekt 😉, dass wir mehrmals in einem kleinen Nest landeten, das genau jetzt das jährliche Dorffest feiert. Nicht immer fanden wir den Grund der Feier, aber meist war sie unüberhörbar.

Das Grenzgebiet zwischen Spanien und Frankreich ist dann etwas hügelig und wild. Es war ein würdiger Abschluss in diesem Land noch einige Schweisstropfen auf dem Teer zu hinterlassen.

Dann wechseln wir nach Frankreich. Im folgenden Bild sieht man Portbou, das letzte Städtchen in Spanien. Auf dem nächsten Hügelzug ist die Grenze. Nicht das einige Runterundrauf.

letzte Stadt in Spanien, Hügelzug vis-a-vis ist die Grenze
letzte Stadt in Spanien, Hügelzug vis-à-vis ist die Grenze – Portbou, Spanien
Links Spanien, rechts Frankreich
Links Spanien, rechts Frankreich – Cervera de la Marenda, Frankreich

Bonschur Frahns

Ja, jetzt müssen wir die Spracheinstellung ändern. “Hola” funktioniert zwar noch, aber in Frankreich funktioniert der Bonjour-Reflex besser: In Frankreich sind die Leute von klein auf so getrimmt, dass sie zu 99 % auf “Bonjour” mit “Bonjour” antworten, egal ob sie am Telefon sind oder gerade eine schwere Kiste tragen. Das ist lustig! Ansonsten müssen wir uns etwas umgewöhnen. Uns scheinen die Einwohner der Grande Nation etwas weniger freundlich als diejenigen in Spanien, die Übernachtungsmöglichkeiten sind etwas teurer für weniger Komfort, das Essen kostet ebenfalls mehr. Ist natürlich Jammern auf hohem Niveau. In Genf wird der Cappuccino gleich viel kosten, wie hier der “teure” Zmorge. Und während in fast allen Unterkünften in Spanien die Details der Reisegruppe pedantisch genau von der Identitätskarte abgeschrieben wurden, zählten die in Frankreich nur die Anzahl Personen und das Geld.

Apropos teuer, hier ein Ferientipp: In Port-Vendres haben wir dieses Schiff gesehen. Das kann man mieten. Es kostet 150’000 € pro Woche. Es kann aber zehn Gäste aufnehmen, der Betrag kann also gut aufgeteilt werden. Die Crew ist im Preis inbegriffen, ein Schnäppchen also.

Frankreich hat auch seinen Charme und wir geniessen die letzten Kilometer. Entgegen der Planung fahren wir nicht nur bis Perpignan, sondern radeln weiter über Narbonne bis Béziers. Hier einige Bilder davon:

Dies und das

In Spanien fiel uns schon früh auf, dass mehr als bei uns geraucht wird. Einige Leute hatten aber auch ganz dünne Zigarettli im Mund, die sich dann bald als Schleckstängel, also Chupa Chups, um genauer zu sein, entpuppten. Chupa Chups ist eine barcellonische Süssware und Marktleader in Spanien. Chupar ist spanisch und heisst schlecken. Das Logo wurde von Salvador Dalí gestaltet.

Und wenn wir schon beim Essen und bei Spanien sind: Hier gibt es Danone-Joghurt, wie an vielen Orten, dieser Welt. Danone wurde von Isaac Carasso in Barcelona gegründet. Er nannte seine Joghurt-Gläser Danone, was auf katalanisch kleiner Daniel heisst, nach seinem Sohn Daniel.

Vielleicht fragt ihr euch, ob wir in Katalonien viel vom Konflikt und der Separatistenbewegung mitbekommen haben. Ehrlich gesagt, war er zwar omnipräsent mit Sprayereien, gelben Schleifen (Kennzeichen für ein abgespaltenes Katalonien) und Fahnen an Häusern und Dörfern, aber in Gesprächen haben wir kaum etwas gehört. Einmal hat zwar ein Receptionist über die extra Steuer, die alle Gäste bezahlen müssen gewettert, aber so politisch war das nicht. Die Lage ist wohl nicht einfach.

Manchmal ist es ganz gut, wenn man etwas Distanz hat in der Veloreihe. Stephan fuhr einmal vorne, gerade an einer Baustelle vorbei als es knackte. Man kann natürlich einen Baum auch mit einem Bagger fällen, kann aber vermutlich nicht so genau zielen. Es hat auf jeden Fall ziemlich laut geknallt und vor Merita lag ein Baum auf der Strasse, zusammen mit dem Internet des Dorfes vermutlich, wenn wir den Kabelstrang als Glasfaserbündel richtig identifizierten.

Neben dem oben beschriebenen Bonjour-Reflex, gibt es ja auch diese Urfreude in kleinen Kindern, wenn diese eine Reaktion im Gegenüber erzeugen können. Und gewisse Kinder bleiben ja solche. Ein solches Mitglied hatten wir in der Reisegruppe mit dabei. Ein “Hola” auf ein “Hola”, ein “Buena” auf “Hola” oder ein “Jour” auf “Bonjour” freut das (Kinder)Herz, auch beim gefühlt tausendsten Mal am Tag. Dazu gibt es aber noch Nextlevel: Lastwagen von Autobahnbrücken aus zuwinken, damit diese mit Licht und Nebelhorn antworten. Das hat in Spanien und Frankreich auch bei Zügen funktioniert und Freude gemacht. Die Freude war nicht gleichmässig in der Reisegruppe verteilt. Die Mitglieder, die nicht gefasst sind, werden nämlich durch die Zugshörner fast vom Velo geblasen. Für euch getestet entlang einer Doppelspurstrecke mit regem Bahnverkehr 😀

Rückreise

Mit dem Zug reisen wir in die Schweiz zurück. Im TGV sind im Rhonetal keine Velos möglich, aber in den TER schon. Das sind so Regionalexpresszüge. Wir haben selbst versucht in der App diese Tickets zu lösen und auch am Billetautomaten. Dort wird unsere Verbindung als ganze Strecke nicht gefunden, sondern nur die einzelnen Teilstrecken. Der Schalter öffnet erst um 9.00 Uhr und unser Zug fährt um 9.21 Uhr. Es gibt aber eine SNCF-Mitarbeiterin, die sich unserem Problem annimmt. Sie weiss zwar nicht, ob es geht, hat aber Ideen, wie man das am Billetautomaten hinkriegen könnte. Extrem flink tippt sie alles mehrfach ein und probiert. Sie findet einen Trick, die Strecke in zwei Teile aufzuteilen und separat zu buchen. Da ich ein französisches “Halbtax” habe, muss sie auch diese Nummer eingeben. Sie hackt auf dem Gerät rum und als es ums Bezahlen geht, nimmt es meine Kreditkarte nicht an. Sie tröstet mich, der Automat sei das Problem, nicht meine Karte. Nach mehreren Versuchen wechseln wir an den zweiten Automaten. Sie kennt meine 12-stellige Abonummer schon fast auswendig von allen Versuchen. Richtig schade, dass am Ende auf der ganzen Reise niemand unsere aufwändig produzierten Tickets sehen will. Die Reise klappt gut bis vor Valence. Dort stoppt der Zug, weil der Bahnhof wegen eines verdächtigen Gepäckstückes gesperrt wird. Um es kurz zu machen: Wir schafften den Anschluss ganz knapp.

Ein Video aus Frankreich

Zum Schluss

Das sind noch die wichtigsten Zahlen zu unserer Reise:

Dank GPS wissen wir wie weit es war.

Vielen herzlichen Dank fürs Mitlesen, Mitreisen und Miterleben. Es freut uns, wenn es euch gefallen hat und wir danken auch für die Rückmeldungen. Wir sind uns bewusst, dass es ein grosses Vorrecht ist, so lange und so weit reisen zu dürfen. Dankbar schauen wir auf diese schöne Zeit zurück, auf die vielen guten Begegnungen mit all den Menschen und der schönen Natur.

Karte von Barcelona nach Béziers

Karte kann vergrössert und gezoomt werden.