Kaum hatten wir dies erfahren, kamen uns sechs Ferientage entgegen, an denen wir uns auf die Suche nach diesem Ausbrecher machen konnten. Fahnderische, kombinatorische, kartografische und meteorologische Methoden nutzten wir, um die Fährte aufzunehmen.
1. Tag: (Uster -) Scuol – Martina – Nauders
Um des Ausbrechers Vorsprung etwas aufzuholen, benutzten wir den Zug nach Scuol (aus dem lateinischen scopulus “Klippe”), zu deutsch Schuls.
Noch vor dem Start gerieten wir selbst fast in Konflikt mit dem Gesetz, als Merita etwas von falschem Geld im Portmonnaie redete (sie meinte € statt CHF) und die beiden Nusstörtchenbäckereiverkäuferinnen ausriefen: “WAS, FALSCHGELD??!!” und damit fast die Polizei im gleichen Gebäude alarmierten. Wir sind dann schnell weg, auch, weil wir da nicht alles verstanden haben.
Dem Inn entlang talwärts durchfuhren wir Furten, Sumpf und wenig Schnee, bis dann in Martina die Schweiz aufhörte und Österreich mit bergwärts schlängelnden Serpentinen begann. Nauders war dann das Ende der ersten Etappe.
2. Tag: Nauders – Meran – Burgstall
Der zweite Tag begleitete uns zuerst zum Reschenpass. Dort und ohne abzusteigen wechselten wir schon ins nächste Land: Italien (ich hatte Österreich grösser in Erinnerung).
Bei durchzogenem Wetter konnten wir mehrere Abfahrten geniessen. Die Apfelbaumblüten verrieten uns, dass wir dem Frühling auf der Spur sind.
War die Abfahrt genügend steil, störte auch der Gegenwind kaum. Sogar die bergwärts fahrenden VelotreterInnen durften nicht mehr als 30 km/h fahren.
Nach einem kurzen Halt in Meran mit Strauben zum Zvieri, landeten wir in Burgstall, wo wir unser Hotel aufschlugen.
3. Tag: Burgstall – Trento – Calliano
Der Frühling hatte uns bemerkt! Es blies uns den ganzen Tag ein steifer Wind entgegen, damit unsere Verfolgung gebremst würde. Wir stellten auch fest, dass er zur Verschleierung seinen Namen und ihr Geschlecht geändert hatte. Kurz nach der Sprachgrenze kannten sie den Frühling nicht mehr, nur noch die Primavera. Aber so schnell lassen wir uns natürlich nicht täuschen, nahmen unseren Verfolgungsauftrag ernst und trotzten dem Wind. Sogar als wir einen flüchtigen Bekannten aus der Jugendzeit trafen, nahmen wir diesen nicht fest und liessen ihn weiterfahren.
In Trento mussten wir dann eine Pause machen und im Windschatten ein Gelati verdrücken. Ein schönes Städtli, wie die Bilder zeigen.
Unsere Drahtesel und uns stellten wir dann im Hotel Aquila in Calliano für eine Nacht unter.
4. Tag: Calliano – Verona
Wir dachten uns, dass die Primavera sich möglicherweise bei ihrer Freundin Verona verstecken könnte, und fuhren am vierten Tag dorthin. Dazu mussten wir nicht nur durch Dörfer fahren, sondern auch Schluchten und Hügel überwinden.
In Verona stellten wir dann fest, dass wir Primavera kaum finden können, da Verona unzählige Freundinnen und Freunde hat, die da herumwuseln. Das Wetter zeigte sich auch gar nicht frühlingshaft, ein klares Indiz – sie ist gar nicht hier.
5. Tag: Verona – Brescia (- Bergamo)
Am fünften Tag schlichen wir uns, unter der mehrheitlich dichten (im doppelten Sinn) Wolkendecke, westwärts durch die Lombardei. Wir grüssten dabei den Gardasee, der etwas grau da lag und das Fehlen der Touristen genoss.
Geschätzt haben wir die vielen Brücken, am zweiten Tag hatte nämlich eine solche gefehlt (man sah die Enden noch), was fast 7 km Zuschlag aufs Wegbudget ergab.
Um den italienischen ÖV zu unterstützen, und rund 50 km einzusparen, sind wir von Brescia nach Bergamo mit dem Dieselschienenholpertraktor gefahren und haben in Bergamo genächtigt. Von Primavera auch hier keine Spur, aber dafür sonst ganz schön.
6. Tag: Bergamo – Chiasso (- Uster)
Am letzten Tag führte uns der Weg zurück in die Schweiz durch die wellblechartige Landschaft Norditaliens. Die Sonnenbrille blieb in der Tasche, die Luftfeuchtigkeit war teilweise sehr hoch und konzentrierte sich auf einzelne Punkte in der Luft (es tröpfelte). Die sehr gute Stimmung war aber kaum nicht beinträchtigt.
Kurz vor Ende legte sich dann noch Como in unseren Weg, was uns aber nicht am Grenzübertritt in die Schweiz hindern konnte.
Allerdings war das letzte Stück von Como nach Chiasso ein Stück Lebens- und Charakterschule. Den “Berg” dazwischen hatten wir bei der Planung vollständig übersehen ignoriert und bei der Bergfahrt hätten wir den doofen italienischen Autofahrern blieben wir sanftmütig und grüssten alle nett.
Zuhause angekommen, stellten wir fest, dass auch der Frühling wieder da ist. Wir haben ihn sofort dingfest gemacht und binden ihn frühestens im Sommer wieder los.
Karte der Reise
Die Tage sind abwechslungsweise in rot/blau eingezeichnet. Die Lücke wurde mit dem Zug gefahren.