Schiffsleben

Wir sind in Liverpool angebunden und können deshalb erzählen, was auf dem Meer bisher so los war, ist und man so isst. Letzte Nacht erlebten wir unser Schiff mit Vollgas (unser Navi sagt 24,3 Knoten, etwa 47 km/h, der Captain sagt, so schnell werden wir zukünftig nicht mehr fahren) mit ziemlich viel Wind und entsprechenden Wellen. Wir wurden in die Matratze gedrückt und hin und her gedreht. Das Schaukeln war nicht sehr gleichmässig, wahrscheinlich überlagern sich mehrere Bewegungen und im fünften Stock ist es natürlich ausgeprägter als im Maschinenraum, aber dort wollen wir ja auch nicht schlafen. Und auf einmal machen alle diese Handläufe, abschliessbaren Törli und Gummimatten Sinn. Wir konnten uns beim Aufstehen nicht im Stehen anziehen, duschen wäre … haben wir gelassen. Aber für die Seemänner war das natürlich nichts Besonderes.

Interessant ist, von der Brücke zu beobachten, wie das Schiff nicht einfach steif ist, sondern sich im Wasser leicht verdreht. Die Containerreihen bewegen sich unterschiedlich, was sehr speziell (irgendwie wie kaputt) aussieht. Unser Kapitän erklärte das für Laien so:

The ship lies like a sausage in the water.

Das Schiff liegt wie eine Wurst im Wasser. Kommt wohl auf die Wurst an, die man sich vorstellt. So sieht die Wurst aus:

Unsere Fracht
Unsere Fracht – von der Brücke gesehen

Leben mit der Crew

Die Crew ist nett, aber auch zurückhaltend (wir natürlich auch). Dass wir für Ferien ihren Arbeitsplatz ausgewählt haben, dürfte nicht für alle verständlich sein. Einzelne erzählen gerne etwas oder beantworten Fragen, manchmal auch erst, wenn wir mit ihnen alleine sind. Den Kapitän interessiert es immer, wie es uns geht. Leider verlässt er uns in Liverpool. Er kommt aus Rumänien, wie der erste und zweite Engineer auch (Motorscheffen). Der erste Offizier ist aus der Ukraine, der zweite Offizier kommt von den Philippinen, der dritte Offizier ist ein Inder. Die Uniform wird vom “Man in Charge” erst bei Hafeneinfahrt montiert, sonst ist lockere Kleidung angesagt. Beim Zmorgen konnten wir heute den “neuen” Kapitän, der auch Master genannt wird, kennen lernen. Er hat uns bereits wieder auf die Kommandobrücke eingeladen (was nicht selbstverständlich ist und nur geht, wenn wir nicht stören). Der erste Offizier ergänzte, dass wir ja wüssten, wo die Kommandokaffeemaschine steht :-).

Von den rund 20 Leuten an Bord sehen wir, leider kann man sagen, fast nur die Offiziere beim Essen, auf der Brücke, im Office oder man trifft mal jemanden im Treppenhaus. Die Hierarchien sind natürlich ziemlich klar, und wir stehen eher oben auf der Leiter.

Schiffsessen

Wichtige Tatsachen vorweg:

  • wir werden nicht verhungern, bei drei warmen Mahlzeiten pro Tag, sofern man die optionalen Eier (fried, scrambled, …) und Wurst am Morgen mitzählt.
  • wir kriegen keinen Skorbut, denn es gibt meist Gemüse, Salat und eine Frucht zum Mitnehmen für die kleinen Hungeräste zwischendurch.
  • Vegetarier sind arme Schweine auf diesem Schiff, nur Brot, Salat und Früchte gibts ohne Fleisch.
  • Kartoffeln scheinen hier ein nachwachsender Rohstoff zu sein.
  • der Menüaushang des Tages, sofern vorhanden, stellt nur eine Idee dar.
  • das einzig Süsse, bis jetzt, war der Honig (sozusagen unser Honig, weil niemand anders davon nimmt. Der alte Kapitän trank wenigstens noch Kamillentee mit Honig, aber nur unter 60° C, weil darüber der Honig kaputt geht).

Ihr seht also liebe Leserinnen und Leser, wir müssen nicht darben. Die Essenszeiten sind jeweils eine Stunde, das heisst in dieser Stunde ist die “Mess”, wie die Essstube genannt wird, bedient:

  • 7.00-8.00 Frühstück
  • 12.00-13.00 Mittagessen
  • 17.00-18.00 Abendessen

Der Steward bedient dann seine Gäste und für uns gibts zum Abschluss immer einen Tee oder Kaffee (schwarz wie das Meer in der Nacht).

Orte auf dem Schiff

Unsere Kabine ist natürlich der Hauptaufenthaltsraum. Wir können hier nebst Schlafen auch Lesen, Ausruhen (wovon?), Aussicht auf die Seite und nach hinten geniessen (Teile unserer Reisegruppe haben schon zwei Delphine gesehen). Auch Radio und Fernseher stehen hier, die aber keinen (TV) bzw. selten (Radio) Empfang haben. Es gibt aber auch eine DVD-Sammlung an Bord, die wir noch nicht benutzt haben.

Bei schönen Wetter ist es draussen auf dem Schiff wunderschön. Vorne im Bug gleitet das Schiff nahezu geräuschlos durchs endlose Wasser. Wir sollten uns jeweils kurz ab- und zurückmelden, wenn wir nach draussen gehen, sind dann aber frei. Im Hafen ist aber das “Deckhouse” unser “Jail”.

Auch die Musterstation ist ein Ort, um frische Luft zu schnuppern. Das ist der Sammelplatz im Notfall, hat ein Dach und liegt im zweiten Stock des Deckhouses. Dort wäre dann auch der “Pool”, falls der Kapitän diesen mal mit Meerwasser füllen lässt.

Im Gymnasium sind wir jetzt täglich vorbeigegangen, um uns sportlich zu betätigen, damit wir bei dieser salzigen Luft nicht einrosten. Das Gym ist mit Crosstrainer, Laufband, Fitnessvelo und so einer Gewichtsmaschine ausgerüstet.

Am spannendsten ist aber die Kommandobrücke. Es ist natürlich vom Kapitän abhängig, ob man da sein darf. Der alte und der neue, scheinen da aber offen zu sein, wenn man leise ist und nicht blöde Fragen stellt, schliesslich werden alle Gespräche dort aufgezeichnet. Was sehr auffällig ist, wie konzentriert gearbeitet wird.: Auf offenem Meer, weit und breit kein Fleck auf dem Radar, bei schnurgeradem Kurs, kontrolliert der diensthabende Offizier andauernd alle Instrumente, Dokumente, GPS-Screen und Radaranzeigen.

Es gibt noch weitere Räume, die wir aber bis jetzt nicht gross benutzt haben.

Einfahrt in Liverpool

Das interessanteste war gestern die Einfahrt in den Hafen Liverpool und ich schreibe jetzt ganz schnell, weil ich die Ausfahrt nicht verpassen möchte. Rund eine Stunde vor Liverpool kam mit einem kleinen Boot ein Lotse an Bord (Engländer, ohne Haare, im Anzug mit oranger Jacke darüber). Er installierte sich auf der Brücke und want a Black Tea with one sugar please. Das Wetter sei noch erwähnt: man sieht nichts, es windet und regnet (Lotse: “the difference between summer and winter here is the temperature of the rain”). Die Einfahrt wird durch Bojen signalisiert und macht mehrere Kurven (ich persönlich hätte diesen Hafen aus meinem Portfolio gestrichen). Der Lotse gibt andauernd neu Steuerkurse durch, die der Steuermann einstellt und bestätigt, sobald unser Schiff richtig steht. Wir fahren noch mit rund 12 km/h. Etwas vor dem Hafen wird uns dann der Schlepper “SMT Belgie” hinten angehängt, damit wir engere Kurven fahren können. Im Hafeneingang steht uns für vorne ein weiterer Schlepper zur Verfügung und zwei weitere stehen bereit. Die Schleuse, die wir nehmen, geht im spitzen Winkel weg, ist nur knapp länger als unser Schiff und ich tippe auf 2-3m Spatzung links und rechts, bei 230m Länge! Auf folgendem Bild fahren wir in die Schleuse ein. Es ist links und rechts kein Wasser sichtbar.

schmale Schleuse
schmale Schleuse – Liverpool, Großbritannien

Das Wetter ist wie der Hafen – nicht normal, um es mal diplomatisch zu sagen. Eine Anspannung liegt in der Luft. In die Schleuse fahren wir mit 2km/h, also etwa einem Knoten. Der Lotse und der Kapitän stehen auf der Aussenbrücke, um besser zu sehen und von dort zu steuern. Der Wind, der mit knapp 40-50 km/h schräg auf unser Schiff trifft, muss mit einberechnet werden. Es wirkt alles sehr konzentriert, ruhig (nur ein kurzer Ausruf von Lotse und Kapitän gegen jemanden unten, was auch immer der getan hat). Nach der Schleuse müssen wir noch eine Kurve machen und durch eine weitere Engstelle fahren (warum auch immer die nötig ist). Der erste Offizier sagt uns: “Wenn mal irgendjemand sagt, es sei schwierig ein Auto irgendwo reinzuparken, dann sollten wir ihm davon erzählen.”

Auf diesem Bild sieht man links vor dem Schiff die Engstelle, die wir noch passieren müssen. Bei den Kränen hinten ist dann der Prakplatz.

nochmals schmal
nochmals schmal – Liverpool, Großbritannien

Ganze drei Stunden hat die Einfahrt in den Hafen gedauert, als ich den beiden tropfnassen Gestalten mit “well done” anerkennend meine Bewunderung ausdrücke, mein der Kapitän trocken, “it’s more wet done!” (eher nass gemacht), hat sich aber trotzdem bedankt.