Sorgen um – viel grösser als Verkehrsaufkommen

Von Pamplona nach Zaragoza (oder Saragossa auf Deutsch) ist die Route keine eigentliche Veloroute mehr. Durch die eher dünne Besiedelung sind aber auch die sinnvollen Varianten eher knapp und es sind einige Höhenmeter zu überwinden. Die Frage steht in der Landschaft, ob es wohl viel Verkehr hat auf den geplanten Strassen?

Tag 3: Beinbrecher Nummer eins – nach Sos del Rey Catolica

Wir befinden uns immer noch in den Ausläufern der Pyrenäen, mit dazugehörigem auf und ab. Zum heutigen Ziel fahren wir oft auf “grossen” Nationalstrassen. Wie viel Verkehr habe ich da zu erwarten? Ich habe schlicht keine Ahnung und bin deswegen leicht (an)gespannt.

Das Ausfädeln aus der grossen Stadt Pamplona gelingt dank guten Velospuren gut. Auf der einen Strasse kommt mir eine Lernfahrerin mit Fahrlehrer langsam, aber total konzentriert entgegen, ein L auf dem Autodach und etwa 20 Autos im Schleppstau. Unsere Blicke kreuzen sich und wir müssen beide richtig lachen – ohne Worte, aber Goldstandard. So ein geschenkter Moment, mein Lachen trägt mich einige Minuten durch den Verkehr.

Schon befinden wir uns zuerst auf einer kleinen Strasse im Tal bergwärts, dann auf der erwähnten Nationalstrasse und sind erstaunlicherweise alleine auf der breiten Strasse. Plötzlich aber komme ich um eine Kurve und eine Strassensperre steht im Weg. Bei einem Industriekomplex steht die Guardia Civil (etwas wie die Carabinieri in Italien oder die Gendarmerie in Frankreich), mit vielen Fahrzeugen, vielen auf die Zähne bewaffneten Guardias in Schutzanzügen. Alle Wege sind hermetisch abgeriegelt. Gedanklich spiele ich Optionen durch, möchte eigentlich keine Zeit verlieren, aber Löcher in Pneu und Kleidung fände ich jetzt auch unpraktisch. Doch der nette Mann im grünen Anzug meint: “Fahren Sie langsam, aber ohne umzuschauen und anzuhalten da hindurch und dort wieder raus.” Ich hab dann auch keine Fotos gemacht.

Der erste Berg, der Loiti, liegt auf 725 m und beschert uns eine traumhafte Abfahrt auf seinem Rücken bei bestem Belag und ohne Verkehr.

Passhöhe Loiti

Unterwegs begegne ich einer Fabrik, die Rotorblätter und Masten für Windräder herstellt. Liegend sind alle Teile imposant gross. Im Foto sieht man es nicht so gut, glaubt es mir einfach:

Rotorblätter

In Sangüesa überquere ich den Aragon und erreiche mehrere Tiefpunkte. Einer lässt sich mit einem Mittagessen beheben und der andere leider nur über einen erneuten Anstieg in der Nachmittagswärme. Eine Hochebene lässt unsere Geschwindigkeit wieder erhöhen, sodass der Fahrtwind nochmals kühlt, bevor zum Dessert der letzte und happigste Aufstieg nach Sos del Rey Catolico erfolgt. Der nachlassende Frischeduft des Sportlers und die langsame Fortbewegung ziehen ungünstigerweise die Fliegen aus der Umgebung an, die zwar nur spielen wollen, aber trotzdem stören.

Sos del Rey Catolico, ein sehr bekanntes Mittelalterstädtli, scheint wie ausgestorben. Ich bekomme ein herziges Zimmer mit der kompliziertesten Dusche, die ich je gesehen habe. Einige Eindrücke zum Dorf und so …

Das Dorf heisst Sos del Rey Catolico, weil hier der Ferdinand der II. von Aragon geboren wurde, der dann später die Isabella von Kastillien geheiratet hat, was dann zu einem vereinigten spanischen Königreich geführt hat. Und Ferdinand war Katholik und die von Sos wollten etwas “fame” im Namen. Heute bleibt die Sperrigkeit des Namens, der Rest ist Geschichte. Das Dorf hat drei spanische Bars mit Essen und kleinen Häppchen und ein relativ teures Restaurant im Stadtkern. Ob die alle in der Hochsaison voll sind? Ja, auch heute Abend macht es “wusch” und in den drei Bars sind alle Tische besetzt und es ist laut. Keine Ahnung, wo die Leute versteckt waren.

Tag 4: Castillos ohne Ende

Mangels Überachtungsvarianten wird die heutige Etappe etwas länger, deshalb starten wir früher. Die Strasse geht noch weiter den Berg hoch! Die Luft ist noch kühl, trotzdem tropft, neben dem Tau von den Bäumen, der Sportler aus seinen Poren. In einer Pause springt uns noch ein Tier davon:

Ein Reh springt davon

Die Strecke ist wunderschön und bietet schöne Ausblicke. Peddalington will noch seinen Mut beweisen und sitzt als Bär auf eine Jagdtafel!

Ich will wirklich nicht Jammern und habe das selbst so gewollt, aber es ist streng. Zu meiner Genugtuung gibt es hier jährlich ein Velorennen, das “Rompepierna” heisst, übersetzt etwa Beinbrecher.

Veloorennen “Beinbrecher”

Die Fahrt führt uns wieder in tiefere Lagen. Es gibt Oliven-, Mandel- und Schweineplantagen. Der Seranoschinken riecht übrigens auf dem Teller anders als noch lebend. Nur so, weil es mir gerade auffällt.

Der Weg führt durch viele Dörfer, die meisten haben Burgen aus unterschiedlichen Epochen. Ein Dorf heisst Uncastillo (eine Burg) und ist vermutlich ein Mnderwertigkeitskomplexname, weil sie nur EINE Burg haben. Beim Schloss unten auf dem Bild gibt es eine lustige Szene. Man kann das Schloss besichtigen, grundsätzlich unbeaufsichtigt. Als ich eintreffe, ist aber gerade die Schlosstüre ins Türschloss gefallen. Ein Teil einer Familie steht im Schloss, der zugehörige Junge ausserhalb. Ein grosses Hallo und an der Tür gerüttle, die Mutter hat zu kurze Haare für die Rapunzelnummer, also ein Getümmel wie zu Ritterszeiten, nur heute zusätzlich mit Handy bewaffnet. Es kam dann eine Frau aus dem Dorf mit einem grossen Schlüsselbund, die extra ihre Siesta unterbrach.

Geschlossenes Schloss

Die Etappe zieht sich etwas und plötzlich ist auch noch der Asphalt weg. Die Strasse ist breit, aber staubig, holperig und streng zu fahren. Velo und Gepäck kriegen schnell eine hellgraue Schicht. Als mich dann noch ein Traktor mit Ladewagen überholt, komme ich wie eingemehlt aus der Nebelwolke.

Staubiger Weg

Durch die etwas längere Etappe, taucht die Landschaft gegen Ende in eine Abendstimmung, sodass ich plötzlich gar nicht mehr ankommen möchte. Ich treffe auch noch auf eine Kolonie, die in den 60er-Jahren gebaut wurde. Eines von insgesamt 13 Retortenbauerndörfer, um die Region zu besiedeln. Sacho Abarca, wie dieses hiess, hat 113 Häuser, eine Kirche, einen Laden, eine Bar, ein Schwimmbad und sogar einen eigenen Feiertag. Es wirkt aber ein bisschen heruntergekommen, obwohl es auf einem Berg steht.

Trotzdem treffe ich irgendwann in Tauste ein. Die Frau vom Hostel hat mir schon geschrieben, dass ich sie anrufen soll, wenn ich da bin. Sie kommt von zu Hause und entschuldigt sich für meine 5 Minuten Wartezeit. Da sie unbedingt ihr Englisch brauchen möchte und ich mein Spanisch müssen wir eine Mischung finden. Es ist lustig und sie auch. Sie schwärmt von ihrem Job hier und macht es mit fühlbarer Leidenschaft. Ich könne sie jederzeit anrufen, wenn ich eine Frage hätte oder mich in der Stadt nicht zurechtfinden würde.

Noch einige Impressionen von unterwegs:

Tag 5: Ebro und Zaragoza

Der Morgen beginnt wieder mit der gleichen Frau an der Rezeption. Ihr Wunsch ist, auf Deutsch “Gute Reise” von mir zu lernen, damit sie mir das dann sagen kann, wenn ich gehe. Wir üben so oft, es reicht mindestens für die nächsten 10 Jahre Ferien.

Am Dorfausgang treffe ich auf einen Oldtimer-Anlass klein und fein. Es kommen mir zwei Frauen mit Rollator und einer Nummer am Rollator entgegen. Keine Ahnung, ob es da für diese Oldtimer-Kategorie ein Rennen gibt oder ob das die Parkplatznummer im Altersheim ist.

Traktoren

Weiter geht das nur noch kurze Etäppeli nach Zaragoza. Das stimmt zumindest distanzmässig. Unser Weg quert heute den Ebro, mit 910 km der zweitlängste Fluss auf der iberischen Halbinsel. Danach haben wir, der Ebro und ich, einen parallelen Flow Richtung Zaragoza. Wir teilen uns auch den Gegenwind, der uns beide ein bisschen ausbremst.

Es ist immer wieder spannend, in eine Stadt hineinzufahren. Bei diesem Autobahnkreuz konnte ich zwar nicht falsch fahren, war aber fasziniert vom darüber und drunter:

Autobahnkreuz

Kurz danach kam die Stadt, gut mit Radwegen erschlossen. Die sind auch ganz vorbildlich bei der Rücksichtnahme und Gesundheitsvorsorge. Eine Tafel zeigt, dass man wegen des Rückens besser gerade auf dem Velo sitzt und sich auch duschen soll, damit es hinten nicht stinkt. Würdet ihr auch so interpretieren, oder?

Tafel

Einige Eindrücke von Unterwegs und Zaragoza:

Kartenausschnitt

Hier die einzelnen Tagesetappen in einer Gesamtübersicht zum Zoomen:

Video zu den Etappen

Wer gerne einzelne Tage als Überflug anschauen möchte, hier die Etappen zu diesem Beitrag:

Etappe 3, 17. Oktober

Etappe 4, 18. Oktober

Etappe 5, 19. Oktober