Warum nicht im herbstlichen Spanien von der Atlantikküste an die Mittelmeerküste fahren? Das kommt dir bekannt vor? Du liegst nicht ganz falsch (siehe z. B. hier). Allerdings ist die Strecke diesmal anders und neben Stephan konnte es sich nur Peddalington einrichten, mitzufahren. Hier nun ein Eindruck der ersten beiden Etappen.
Ist euch langweilig zu Hause?
Der Grund für die Reise ist rein geschäftlicher Natur (hust, hust). Ich darf eine sogenannte Intensivweiterbildung machen und ein Teil davon werde ich an einer speziellen Schule in Barcelona arbeiten. Da bot es sich an, einen Teil des Weges zu einem Ziel zu machen und von Hendaye an der französischen Atlantikküste den Pyrenäen entlang nach Barcelona zu radeln. Peddalington war sofort Feuer und Flamme und hatte sogar Zeit. Jetzt aber zu den Ereignissen.
Anreise
Das Velo kann man im Zug mitnehmen, das muss man aber gut planen. So starten wir mit dem Zug über Basel nach Strasbourg, von wo uns ein TGV ohne Halt nach Paris fliegt.
In Paris fahren wir die sechs Kilometer vom Gare Est zum Gare Montparnasse mit dem Velo durch den Feierabendverkehr. Wer jetzt denkt “ach herrje” 😱, dem empfehle ich eine solche Fahrt in Paris auf seine ‘Bucket List’ zu setzen. Paris ist eine richtige Velostadt geworden, mit eigenen Fahrspuren und richtig viel Veloverkehr. Ich gebe zu, da ist viel los (einige sollten vielleicht noch üben vorher). Man fährt in Kolonnen mit einer Geschwindigkeit von 15-20 km/h. Es läuft recht gesittet ab, wegen des Gegenverkehrs kann man aber selten überholen (dafür wird man auch nicht überholt). Es ist wirklich faszinierend. Eine Zählstelle beim Gare Est hatte gerade 12’000 Velos an diesem Tag gezählt.



Mit dem zweiten TGV erreichen wir direkt Hendaye um 23.25 Uhr (mit 5 min. Verspätung). Das Hotel hat mir versprochen, auf mich zu warten, also läute ich und sehe, wie der Hotelier schnellen Schrittes naht, ein Hemd anziehend und Frisur richtend um die Ecke biegt.
Tag 1: Es geht los
Nichts gegen Frankreich, aber wir möchten den ersten Kaffee in Spanien trinken, also satteln wir den Esel beizeiten. In der Tiefgarage werde ich schon in ein Gespräch verwickelt mit Caroline und ihrem Mann. Sie sind Belgier und sind im Frühjahr mit dem Velo von Belgien nach Spanien zu Santiagos Kompost gefahren (oder wie das heisst). Es ist eine witzige Begegnung, auch wegen der sprachlichen Hürden. Sie will noch meinen Namen für ins Tagebuch und ich ihren für den Blog.

Im spanischen Grenzstädtchen Irun treffen wir Pío Baroja, den Schriftsteller. Er konnte sich uns nicht anschliessen, seine bronzenen Gelenke hätten schon etwas viel Patina angesetzt, wünscht uns aber eine gute Reise. In San Sebastian treffen wir noch kurz auf den Atlantik, seine Wellenreiter, baden die Füsse und haben dann überall Sand.



Alte Eisenbahnlinie
Wir werden uns ein paar Tage in den Pyrenäen bewegen, so nennt sich diese Verwerfung in der Erdkruste zwischen Frankreich und Spanien. Das heisst auch, dass der eine oder andere Höhenmeter unter die Räder kommt. Von San Sebastian bis Pamplona folgen wir einer alten Eisenbahnlinie durch die Berge. Diese Eisenbahn war zuerst nur eine kleine Transportbahn für die Minen in den Bergen. Um 1900 wurde dann aber eine richtige Eisenbahn für Menschen gebaut, die Leute und Kulturen aus den beiden Regionen zusammenbrachte, wie ich lesen konnte. 1951 war dann die Kultur genügend ausgetauscht und die Eisenbahn wurde wieder eingestellt.

In Andoain beginnt der eigentliche Trail. Die Stadt hat für ihre armen Mitbewohner min. sieben Rollbänder und vier Rolltreppen installiert (hier nur Fake, das Rollband nützt mir gar nichts, muss aber getestet werden).
Das alte Eisenbahntrassee ist in eine wunderschöne Hügelkette eingebettet, es gibt kaum Leute, keine Dörfer, nur der Bach rauscht und die Vögel zwitschern. Der Weg geht konstant aufwärts und ist ziemlich holperig. Peddalington wird es schlecht, vielleicht auch durch die vielen Honigzältli. Durch das Rütteln wird aber auch das Selbstmitleid des PedalElenden abgeschüttelt.







Plötzlich ist der Weg mit einem Gitter, einer Tafel und einem Zettel versperrt. Ein Umweg wäre sehr grossräumig und mit viel Kraftaufwand verbunden. Ich ignoriere und hoffe. Nach etwa 2 km treffe ich auf Männer wie Maschinen und ihre Maschinen. “¡Está cerrado aquí!” sagt der eine sichtlich genervt. Ich schaue gequält, erbitte eine Ausnahme und deute auf meinen beladenen Esel: “Una excepción, por favor.” Es dauert einige Sekunden, ein Gespräch mit dem Kollegen und dann fahren sie sogar die Maschinerie zur Seite. Artig bedanke ich mich und bin froh.
Am Abend lande ich in Leitza, einem baskischen Dorf mit etwa 3000 Einwohner. Nur der örtliche Kebabimbiss und ein Selecta-Automat haben heute Essen im Angebot, alle Restaurants haben zufällig gerade zu. Später gibt es noch eine Demo im Dorf. Gut 300 Leute ziehen mit Pfannendeckel und Tröten durchs Dorf. Das Dorf ist klein, nach 20 min. sind alle wieder zu Hause.
Tag 2: Pamplona wir kommen
Der zweite Tag beginnt mit dichtem Nebel. Da der Eisenbahnpfad oben am Dorf verläuft, erhöht sich bereits beim Hochfahren und wieder Einspuren die Sichtweite.



Der Weg geht heute noch weiter hoch. Es folgen weitere Tunnels und der längste ist dann auch der Scheiteltunnel mit 2,7 km, der sogar beleuchtet ist. Allerdings muss man trotzdem Gummistiefel, Taschenlampe und Helm tragen, wie die Tafel zeigt. Tunnels ohne Licht und mit Kurve sind stockdunkel, sogar mit gutem Velolicht eine spannende Erfahrung im wörtlichen Sinn. Manchmal gibt es Rampen auf diesem Pfad, wohlklingend ‘Pendiente Pronunciada’ genannt, die aus Erfahrungen Erkeuchungen machen und Material und Mensch an die Grenzen führen.



Unterwegs treffen wir noch zwei Töfffahrer an einem Rastplatz für einen kleinen Schwatz auf Spanisch (ob wir vom gleichen sprechen, weiss ich zwar nicht) und bewundern gegenseitig die Maschinen. In einer Abfahrt verstopft mir noch eine ganze Schule den Weg. Einige Lehrpersonen rufen “Rechts”, andere “Links”, dann haben die Jugendlichen auch noch eine Links-Rechts-Schwäche und das Gewusel ist perfekt. Die Jugendlichen entscheiden sich dann für ein Spalier mit Welle und feuern uns an.
Pamplona
Das Etappenziel heute ist Pamplona oder baskisch Iruña. Mit etwa 200’000 Einwohnern eine ziemlich grosse Stadt, mit einer Innenstadt oben auf dem Berg! Mir fällt wieder auf, wie das Leben in Spanien draussen stattfindet. Am Abend, mitten unter der Woche sind alle Gassen, Bars und Plätze voller gesprächiger Leute, mit Tapas-Tellern und Getränken in der Hand.
Ich habe dann noch Hemingway getroffen, der sitzt da vor der Stierkampfarena, obwohl er, gemäss Erzählungen, eigentlich immer im Café sass. Einer anderen Statue wollte ich dann noch eine Glace schenken, aber dann musste ich sie widerwillig selbst essen.


Einige Bilder von unterwegs und von Pamplona







Zum Schluss noch einzelne baskische Sprachmüsteli



Kartenausschnitt
Hier die einzelnen Tagesetappen in einer Gesamtübersicht zum Zoomen:
Videos der Routen
Wer gerne einzelne Tage als Überflug anschauen möchte, hier die Etappen zu diesem Beitrag: