Kontraste und Geduldsproben

Unterdessen sind wir von Viñales zurück nach Havanna geradelt und haben wieder einiges erlebt und unser Bild von Kuba ist dadurch differenzierter geworden (so scheint es uns mindestens 😉 ). Wir stellen deshalb diesen Blogbeitrag unter den Halbtitel „Kontraste“. Mit dem Bus sind wir weiter in den Osten gereist, wo bald unsere zweite Velo-Runde beginnt. Unsere Erlebnisse mit Bus und Behörden ergeben den zweiten Titelteil “Geduldsproben”.

Nun also, was uns so über die Schlaglochpiste gelaufen ist. Sozusagen ein weiterer Blick ins Land Kuba.

Blick ins Land
Blick ins Land

Viñales

Haupstrasse in Vinales
Haupstrasse in Vinales
Kirche Vinales
Kirche Vinales

Verpflegungsstände auf kubanisch. Ich habe aus verdauungstechnischen Gründen fünf Bananen gekauft und wir bekamen dazu noch einige Zitrusfrüchte zum Probieren.

Früchtehändler
Früchtehändler

Reis wird zum Trocknen auf die Strasse verteilt (hat ja nicht viel Verkehr). Die Schweine finden das auch cool, nicht aber der Bauer, der kurz darauf kam.

Reis und Schweine am Degustieren
Reis und Schweine am Degustieren

Hunde

Im Gegensatz zu den USA haben hier die wenigsten Hunde einen Besitzer. Wir hatten deshalb erwartet, dass wir v. a. der Kategorie „angriffig“ (siehe Hundetypologie) begegnen werden. Doch unterdessen wissen wir, dass die kubanischen Hunde durchwegs freundlich bzw. wohl so relaxed sind, dass sie uns gewöhnlich ignorieren. Die in New York extra noch gekaufte Warnpfeife ist mittlerweile im Gepäck weit nach unten gewandert. Zwei Mal hat uns ein Hund angebellt, er wurde jedoch von umstehenden Leuten scharf zurechtgewiesen. Auch das ein Kontrast zu den USA, wo es sogar die Besitzer kaum kümmerte, wenn uns ihre Hunde kläffend verfolgten.

andere Menschen, wie José

Weiter hatten wir eine Begegnung mit einem Kubaner, die in starkem Kontrast zu derjenigen mit Zigarren-Pedro steht. Der Mann in unserem Alter – wir nennen ihn aus Datenschutzgründen José – kommt im Park beim Mittagsrast auf uns zu. Er spricht fliessend Englisch, was die Kommunikation für uns sehr erleichtert. Wir können einerseits ein paar Fragen zum Leben, zur Politik etc. loswerden und bekommen differenzierte Antworten. Anderseits ist José ein Beispiel dafür, dass die kommunistische Unterweisung inkl. Ausblenden der negativen Auswirkungen der Revolution nicht bei allen gleich wirksam ist.
Eine Geschichte von José: Sein Sohn in der Schule zur Lehrerin: „Sie haben uns gesagt, dass wir Kinder die Zukunft der Welt sind. Warum nur sind denn Kekse so teuer, dass uns unsere Eltern keine kaufen können?“ José muss darauf in der Schule vortraben und wird ausgiebig zur Erziehung seiner Kinder befragt – und gerügt!
José ist den Behörden bereits bekannt als „Untreuer“. Deshalb darf er z. B. nicht im staatlichen Tourismusbereich arbeiten, obwohl er mit seinen Englischkenntnissen dafür bestens qualifiziert wäre. Da er als Uniprofessor zu wenig verdiente, um seine Familie zu ernähren, hat er sich vor einigen Jahren als Taxifahrer selbständig gemacht. Daneben gibt er – auch auf privater Basis – Englischunterricht. Neben beruflichen Einschränkungen werden Kritiker öffentlich geschmäht, von Nachbarn gemieden und einfach generell geächtet. Ins Gefängnis komme man gemäss José heute deswegen nicht mehr. José setzt grosse Hoffnung in den auf 2018 angekündigten Generationenwechsel in der Regierung. Er liebt sein Land und will sich hier engagieren, deshalb ist er auch nach einem einjährigen Aufenthalt in Südafrika wieder zurückgekehrt, auch wenn er hätte dortbleiben können.
Zur vielgepriesenen kostenlosen Gesundheitsversorgung in Kuba erklärt er uns: Die Behandlung ist zwar kostenlos, danach notwendige Medikamente sind jedoch zu bezahlen. Ebenso wird erwartet, dass man dem Arzt ein anständiges „Geschenk“ (finanzieller oder materieller Art) mitbringt, damit man wirklich gut behandelt wird. Das muss man sich dann auch leisten können …
Dies ein paar Erkenntnisse aus dem längeren Gespräch mit José. Interessanterweise war uns schnell klar, dass José kein „jintero“ ist – wir können nicht genau sagen warum. Er ist einfach angenehm anders. Am Schluss lädt er uns ein, beim nächsten Besuch in seiner Stadt bei ihm zu wohnen – kostenlos wie er betont. Mal sehen, ob wir hier nochmals vorbeikommen 😉

Velobewunderer

Etwas noch zu unseren Fahrrädern: Auf den ersten Etappen fühlten wir uns teils ziemlich fehl am Platz mit unseren für kubanische Verhältnisse sehr edlen Stahlrössern. Nicht, dass jemand etwas Entsprechendes zu uns gesagt hätte, aber Blicke reden oft mehr als Worte. Vielleicht haben wir es uns auch nur eingebildet. Jedenfalls hat sich das Gefühl bei uns unterdessen gelegt. Wohl auch, weil einige Leute interessiert reagiert haben. Da ist zuerst der Enkel der Casa-Besitzer in Viñales. Er betreibt im Hinterhof des Casas eine improvisierte Motorradwerkstatt. Die aus China importierten überall verbreiteten Elektrotöffs sind übrigens nicht so genial wie wir dachten. Ist nämlich die Lebensdauer des Akkus (ca. nach 2 Jahren) abgelaufen, bekommt man in Kuba keinen neuen Akku. Das bedeutet: Motorrad unbrauchbar – bzw. nur noch als Ersatzteillager. Der junge Mann, der durchaus ein technisches Verständnis hat, wollte dann also alles über unsere Fahrräder wissen. Vom Zahnriemen über das Schaltgetriebe, den Dynamo mit dem USB-Anschluss zu den Scheibenbremsen. Und alles wurde genaustens mittels Handyfotos dokumentiert.
Eine ebensolche Situation ergab sich später vor einem Laden während Stephan Wasser kaufte. Da dies gewöhnlich eine längere Sache ist, blieb mir viel Zeit, zwei Interessierten unsere Velos und unsere Reise zu erklären. Die Zeit reichte sogar, dass sie zwei weitere Kollegen holen konnten, denen sie dann wiederum alles genaustens wiedergaben und zeigten. Die Frage nach dem Preis der Velos konnte ich gut beantworten, ohne zu lügen, aber auch, ohne uns als Milliardäre hinzustellen: „Ein halber Monatslohn.“ Was wir auch oft erwähnen, ist, dass wir kein Auto besitzen, sondern diese zwei Fahrräder unser Alltagstransportmittel sind.

Strassenzustandsbericht

Noch etwas zu den Strassen: Im ersten Teil bis Viñales waren wir positiv überrascht vom guten Zustand. Im zweiten Teil verschlechterte sich dieser zunehmend. Zwar durchwegs geteert, jedoch holperig und voller Schlaglöcher. Dies wirkt sich auf die Durchschnittsgeschwindigkeit ähnlich bremsend aus, wie ein 2000 m hoher Gebirgspass. So waren wir froh, keine 100-km-Etappen absolvieren zu müssen 😉 Denn auch für 60 km brauchten wir quasi einen ganzen Tag. Die letzten Etappe zurück nach Havanna führte auf bereits bekannter Strasse. So suchten wir nach einer Alternative. Wir fanden sie in einer hübschen Nebenstrasse. Zwar mit etwas mehr Steigungen, jedoch sehr idyllisch und gemütlich. Da es am Morgen geregnet hatte (danke an die netten Leute, die uns auf ihrer Veranda unterstehen liessen und uns sogar Stühle brachten), gab es in jedem kleinen Tal der Auf-und-Ab-Strasse einen See. Schwer zu sehen, wie tief diese Seen sind, waren wir mehrmals froh um unsere wasserdichten Taschen und dass wir nur Sandalen trugen 😉 Schliesslich landeten wir nach 10 Tagen wieder in Havanna und wurden von Elizabeth und Güicho herzlich empfangen. Heimkommen in der Fremde! Und Vorbereitung auf den nächsten Teil Richtung Osten …

Einige weitere Einblicke:

Busfahrt

Damit wir einen grösseren Sprung in den Osten machen können, haben wir uns dem Bus Viazul anvertraut. Gerne wären wir eigentlich mit dem Zug gefahren, doch uns wurde allseitig abgeraten. Auch zwei spanische Velofahrer, die eine Zugsreise hinter sich hatten, erklärten das Vorhaben als eigentlich unmöglich (mehrere Unterbrechungen der Reise wegen technischen Problemen, jeweils für Stunden unklar, ob Velos mitdürfen bis zur Zugseinfahrt, Ticketpreise auf hohem Niveau usw.). Viazul ist bekannt für seine modernen klimatisierten (chinesischen) Busse, deren Innentemperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt scheint (natürlich übertrieben, aber es sei der coolste Ort in Kuba). Eine halbe Stunde vor Abfahrt (Zeit gemäss Fahrplan 🙂 ) sollte man dort sein. Velo und Gepäck müssen eingecheckt werden. Die Velos mussten wir aber selbst verladen, inkl. Vorderrad raus und Sattel entfernen. Der Bus sieht so aus:

Bus Viazul
Bus Viazul

und hat folgende Symbole aussendran, aber lediglich zwei sind Realität (es hat Sitze und der Bus ist klimatisiert, aber keine Bildschirme und kein WC (noch nie gehabt!). Am Rost sieht man in etwa den Zustand. Als es regnete, tropfte es an gewissen Stellen im Bus:

Lug und Betrug
Lug und Betrug

Die Fahrt von Havanna nach Holguin dauerte inkl. allen Stopps etwas mehr als 12 Stunden. Stopps gab es für:

  • Pipi: bei kleinen Restaurants mit Toilette und meist Getränkekaufmöglichkeit
  • Offiziellen Busbahnhof: Halt gemäss Fahrplan manchmal 45 min. Meist auch mit Cafeteria usw.
  • Chauffeure-Wünsche: Zweimal mussten sie etwas einkaufen gehen, einmal Fruchtsaft und einmal Tomatensauce. Für die Passagiere war dies aber kein Halt zum Aussteigen.
  • Chauffeurtausch: Wir hatten zwei Chauffeure dabei, die sich abwechselten. Nicht immer hielten sie an zum Wechseln!

Die Strasse nimmt in Qualität und Breite gegen den Osten ab. Zuerst eine Autobahn mit drei Spuren je Richtung, dann fehlt auf einmal eine Richtung und es sind drei Spuren für beide Richtungen. Das ist manchmal ein bisschen kriminell, weil doch alle drei Spuren von den Fahrzeugen aller Richtungen gebraucht werden. Am Schluss ist die Hauptstrasse nur noch zweispurig und es wird auf der Seite gefahren, wo es weniger Schlaglöcher hat.

Geduldsübungen

Anstehen ist etwas, was wir nicht so kennen, aber wir versuchen uns geduldig in Geduld zu üben. Ist nicht immer einfach, weil es aus unserer Sicht besser ginge und zwar ohne grossen Aufwand 🙂 Zwei Beispiele:

  • Im Supermarkt sind etwa fünf Angestellte im Raum verteilt, eine davon an der Kasse (es hätte eine zweite Kasse). Die anderen stehen ein bisschen im Weg herum. An der Kasse hat es 10 Leute in der Schlange. Geduldig warte ich mit meinen vier Wasserflaschen und möchte dann auch noch ein Jogurt, das hinten im Kühlschrank auf mich wartet (noch ohne es zu wissen). Vor mir kaufen die Leute meist nur einen oder vielleicht zwei Artikel. Jeder Artikel wird eingescannt. Gewisse müssen aber in einer unendlich langen Liste gesucht werden und der Code wird eingetippt. Bei der Kasse hat es auch Kaffeezeltli und Kaugummi einzeln zu kaufen. Fast alle kaufen solche noch dazu (gibts sicher selten). Die Zeltli werden gescannt und dann wird der Endbetrag bezahlt. Dann kommt der Clou: Etwa 7 von 10 Leuten investieren das Retourgeld wieder in Kaffeezeltli, was einen erneuten Kaufvorgang auslöst mit einscannen usw. Zwischendurch fällt einer Angestellten auf, dass nicht alle Artikel in der Virtine präsentiert werden. So wird die Kassiererin beauftragt, dies noch in Ordnung zu bringen. So dauert es gefühlte Ewigkeiten bis ich an der Reihe bin. Der Vorteil ist, dass ich jetzt auch keine Eile habe oder ein schlechtes Gewissen wegen der Schlange hinter mir. Fast hätte ich auch vergessen nach meinem Jogurt zu fragen:-)
  • Hier in Holguin haben wir unser Visum verlängern müssen. Dazu braucht es den Pass, die Visumskarte, eine Bestätigung der Unterkunft, die Gebührenmarken (Sellos) und einen Versicherungsnachweis der Krankenkasse. Wir sind um 9:45 Uhr da und sehen, dass die Öffnungszeiten handschriftlich auf 12.00 Uhr reduziert sind. Wir fragen, wer der/die Letzte ist und setzen uns. Mit der Zeit stellen wir fest (bzw. wir werden aufgeklärt), dass es zwei Schlangen hat, die hier anstehen fürs gleiche Büro. Auch etliche Kubaner haben das nicht gewusst. Nach einigen Klärungen von hilfsbereiten Mitmenschen sind die Reihenfolgen wieder klar. Das nächste Problem ist die Zeit, die läuft und läuft. Um 12.15 Uhr kommen wir an die Reihe und die gute Frau in Uniform möchte uns morgen nochmals sehen, weil sie lieber noch kurz einen dringenden Fall behandeln möchte. Wir flehen auf Spanisch und geben nicht nach, als wir merken, dass sie ein bisschen weich wird. So kriegen wir unsere Visumsverlängerung doch noch und bedanken uns artig. Wie viel Zeit die Kubaner in ihrem Leben wohl mit Warten bzw. Anstehen verbringen?

Holguín

Die Stadt gefällt uns, die Stimmung ist etwas ausgelassener als in Havanna, viele Touristen haben wir noch nicht gesehen (nicht so schlimm) und wir haben ein schönes Zimmer bei einem lieben älteren Ehepaar. Gestern stiegen wir auf einer ziemlich schrägen Treppe den Hausberg hoch.

handgemachte Treppe
handgemachte Treppe

Übrigens gibt es kubanische Refrescos (Getränke), die recht gut sind und modern aussehen. Unser Favorit Piñata mit Ananas gibt es leider nur selten.

Kubanische Getränke
Kubanische Getränke

Und weil wir den Ustermärt verpasst haben, leisteten wir uns gestern eine Zuckerwatte.

Zuckerwatte
Zuckerwatte

Und noch ein paar weitere Eindrücke:

Karte Viñales-Havanna