Unser Schiff – im Detail

Wir sind immer noch, oder auch immer wieder, fasziniert von diesem Schiff, das uns da über das Meer trägt. Wahrscheinlich ist es noch schwierig, dies in einem Beitrag so zu beschreiben, dass es ebenfalls fasziniert, aber ich versuche es trotzdem.

Masse

Das Schiff «Independent Voyager» wurde im 2011 vom Stapel gelassen und war das letzte in Deutschland produzierte Containerschiff. Es gilt heute als «any size» Schiff, also so Standardgrösse für jeden Zweck. Es ist ein «ungeared» Schiff, das seine Ladung nicht ohne Hafenkräne abladen kann (wir haben zwar drei kleine Kräne für Food, Rettungsboot und so). Die Masse sind, zumindest für Schweizer Süsswasserpiraten, beachtlich. Ich zähle mal ein bisschen auf:

  • Das Schiff ist 225 m lang und 30 m breit, das Deckhouse (Unterkunft und Brücke) mit Kamin 53 m hoch, davon rund 10 m im Wasser, so dass das Steuerrad auf etwa 38 m über der Wasseroberfläche montiert ist. Unsere Kabine liegt gerade darunter.
  • Das Schiff kann rund 2800 TEUs aufnehmen, das sind «Twenty feet Units» also 20 Fuss-Container mit bis zu je 40 t Gesamtgewicht. Einige hundert werden im Bauch versenkt, die anderen auf Deck gestapelt. Gefährliche Fracht wird weiter vorne (weg vom Wohngebäude und der Schiffstechnik), Kühlcontainer werden in der Mitte des Schiffes bei den Stromanschlüssen platziert.
  • Wir sind meist mit etwa 15 Knoten (ca. 28 km/h) unterwegs, weil das ökonomisch die beste Geschwindigkeit zu sein scheint. In Küstennähe (etwa 200 nm, nm meint nautische Meile, also 1825 m) müssen wir mit leichterem Öl fahren, das weniger Partikel ausstösst. Draussen auf dem offenen Meer wird mit Schweröl gebrettert, das nur halb so viel kostet (ca. 300 $/t). Wir verbrauchen etwa 40 t pro 24 h, was dann pro Tonne Nutzlast und Atlantiküberfahrt etwa 90 $ kostet.
  • Angetrieben wird das Boot von einem 7-Zylindermotor von MAN mit 21’770 kW (29’600 PS) und dahinter einer Schiffsschraube mit 5 Blättern und 7 m Durchmesser (halbe Kraft etwa 72 Umdrehungen pro Minute*). Und – falls dies jemanden interessiert – im Uhrzeigersinn. Bei Vollgas mit dem Kahn einen engen Kreis zu drehen, dauert nur 7 min., man verliert aber dabei Geschwindigkeit (ich durfte es leider nicht ausprobieren).
    Einschub: bis 2009 waren die meisten Schiffe mit Volldampf unterwegs, seit der kleinen Ölkrise noch mit halber Geschwindigkeit. Dafür werden die Hafenzeiten früh abgemacht und können unabhängig vom Wetter eingehalten werden, weil man eben auch noch schneller fahren kann. Wir konnten auch die Verspätung von Antwerpen bereits vor Liverpool einholen (Vollgas, also etwa 46 km/h, im rumpligen Ärmelkanal inklusive).

Navigation

Kommandobrücke
Kommandobrücke

Den Weg finden wir über einen GPS-Empfänger und dessen Seekarten. Der Weg wird genau geplant, auf der Karte eingetragen und danach nach Monitor gefahren. Das Schiff hat einen Autopiloten, der aber nur in eine eingestellte Richtung fährt und andauernd selbstständig korrigiert (gestern in einem Sturm hatte er allerdings beleidigt das Handtuch geworfen, weil der Wind das Schiff immer vom Kurs blies). Die Augen des Offiziers werden durch zwei Radarsysteme unterstützt, die alles zeigen, was sich vom Wasser abhebt. Andere Schiffe werden, anhand von Daten ihrer Sender, mit Ziel und Art angezeigt. Wir sahen aber insgesamt nur etwa 5 Mal ein anderes Schiff, eines fuhr einen ganzen Tag parallel zu uns! Strömung und Wind haben natürlich einen grossen Einfluss auf den Kurs, so dass der Autopilot manchmal andauernd am Korrigieren ist und das Schiff fürs Auge ganz schön schräg im Wasser liegt und sich leicht seitwärts Richtung Ziel schiebt. So kann die Geschwindigkeit durch unseren Antrieb schon mal einige Knoten von der realen Geschwindigkeit abweichen, was natürlich alles schön in der Kommandozentrale angezeigt wird. Die Wetterprognosen werden mehrmals täglich aktualisiert, sind aber viel ungenauer als an Land. Wetter besteht für die Seeleute auch nur aus Windstärke und -richtung. Sonnenschein müssen sie jeweils extra für uns noch recherchieren. Jede Beobachtung und alle wichtigen Daten werden regelmässig im Logbuch eingetragen.

Technik

Das System Schiff soll möglichst unabhängig sein und ist dadurch auch so ausgerüstet möglichst autonom zu sein. Sämtliche Vorräte für Essen, Treibstoffe usw. werden nur in Antwerpen an Bord genommen und reichen locker für 4 Wochen, Abfälle werden ebenfalls nur dort entladen.

Im Deckhouse und darunter versteckt sich so einiges an Technik. Vom Antriebsmotor, der sich über drei Stockwerke erstreckt, habe ich schon erzählt. Seine Abgase dienen dazu, in Wärmetauschern Dampf zu erzeugen. Dieser wiederum wird für die komplette Wärmeversorgung verwendet. Dazu gehören Heizung des Gebäudes und Warmwassers, Erhitzen des Treibstoffes auf 130 °C, da dieser nur dann genügend flüssig ist.

Neben dem Antriebsmotor stehen weitere fünf Dieselaggregate im Reich der Engineers. Das grösste ist ein Backupaggregat, mit dem bei einem Ausfall von fast allem, die Vitalfunktionen des Schiffs aufrechterhalten werden könnten. Dann hat es drei Dieselaggregate, die den Strom produzieren, der benötigt wird. Jeweils eines reicht üblicherweise aus. Ein anderes kann einspringen oder Lastspitzen abfedern, das dritte wird gewartet (bei unserem Besuch war es total zerlegt). Das kleinste ist auch noch eins, für den Fall der Fälle, der nie eintritt.

Filtern ist auch ein grosses Thema. Luft wird gefiltert, erwärmt oder gekühlt und in die Räume verteilt. Treibstoff wird gefiltert, damit kein Wasser oder Fremdkörper das Motörli zum Stottern bringt. Meerwasser wird für die Motorkühlung gefiltert, nicht damit aus Versehen kein Fisch gekocht wird, und ebenfalls wird das Wasser aus dem Meer für Waschen, Duschen und Zähne putzen aufbereitet. Letzteres wird rein mechanisch gefiltert und könnte getrunken werden, enthält aber keine Mineralien. Die Maschine ist eher grosszügig dimensioniert. Mit 80’000 l Frischwasser pro Tag könnten alle 22 Schnäuze und die zwei Frauen an Bord 24 h Duschen und nebenbei auch noch Zähne putzen.

Für den Restmüll, der nicht aus Plastik oder Büchsen besteht, gibt es eine Kerichtverbrennungsanlage mit 1000 °C. Die Asche wird dann an Land entsorgt.

Da Sicherheit auf dem Schiff gross geschrieben wird, gibt es viele Feuerlöscher, Hydranten und eine CO2-Löschanlage mit der Ladekammern, Maschinenraum, Küche oder auch die Wohnräume geflutet werden könnten.
So, das ist nun etwas lang geworden, fast so lange wie unser Schiff (wie lange ist es schon wieder?). Aber es ist echt einmalig, so richtig dabei zu sein und es gäbe noch sooo viel zu erzählen, z. B. von fliegenden Fischen, Delfinen und dass das Meer wirklich sehr gross und weitläufig ist (Kapitäns Spruch: «Das Land ist gar nicht weit weg. Es befindet sich nur 4,8 km unter uns»).

Motor
Motor, oberster Teil

* Funfact: Im Fitnessraum zeigen alle Geräte beim Puls standardmässig die Drehzahl der Maschine an😊.